Horb a. Neckar, 24. November 2012
Resolution der 30. Horber Schienen-Tage
Die Rahmenbedingungen richtig gestalten: Infrastrukturen entlasten, das knappe Geld nutzen, Projekte effizient gestalten
Energie- und Verkehrswende haben höchste Priorität. Der Öffentliche Verkehr ist dafür unverzichtbar, auch durch seine erprobte Elektromobilität. Sein Potential wird aber nicht genutzt, da unter dem Vorwand knapper Kassen Investitionen unterbleiben, und das wenige zur Verfügung stehende Geld oft falsch genutzt wird.
Die Verkehrsplanung nach dem Verfahren einer Wunschliste ist gescheitert: Die Kombination unerfüllbarer Wünsche, teuren Ansprüchen und langer Projektlaufzeiten führt zu einer unübersehbaren Liste abzuarbeitender Projekte, deren Fertigstellung selbst bei großzügiger Finanzierung von den heutigen Akteuren nicht mehr erlebt wird, geschweige denn Platz für neue Projekte läßt.
Handlungsbedarf besteht in vielen Bereichen:
- Die heutige Infrastruktur kann an wichtigen Stellen den Verkehr nicht mehr aufnehmen. Um bei der aktuellen Haushaltslage noch Verbesserungen zu ermöglichen, muss das Geld effizient verwendet werden. Dies funktioniert nur mit einem transparenten Entscheidungsverfahren, bei dem alle Beteiligten (inklusive der Bürger) frühzeitig eingebunden sind und alle Fakten und Planungen jederzeit öffentlich diskutiert werden können. Diese Transparenz muss gesetzlich sichergestellt werden, unabhängig von der Rechtsform des Projektträgers.
- Sowohl in Ballungs- und Verdichtungsräumen als auch bei überregionalen Verbindungen wird die Ertüchtigung der Infrastruktur nur mit einem Ausbau des Systems Schiene gelingen.
- Dazu muss erst der Bedarf ermittelt werden, dann Ziel-Fahrpläne aufgestellt werden, danach an den Engstellen systematisch die notwendige Infrastruktur geschaffen werden. Reserven sind dabei zu wahren. Dies muss auch Grundlage der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans und der Fortentwicklung zu einem Bundesmobilitätsplans sein.
- Das System des ITF (integrierter Taktfahrplan) hat sich als Planungsgrundlage bewährt und führt zu einer systematischen Auslastung der Infrastruktur sowie zu einer attraktiven Reisegeschwindigkeit. Das gleiche Prinzip funktioniert auch im Güterverkehr mit Systemtrassen und hat sich in anderen Ländern bewährt. Der so vertaktete Verkehr muss Vorrang vor einzelnen (auch grenzüberschreitenden) Zügen des Güter- oder Fernverkehrs haben.
- Der erfolgreiche ITF wird durch die ständig stark steigenden Trassen- und Stationsgebühren konkret gefährdet. Diese sind auch so hoch, da der Bund Jahr für Jahr 500 Millionen Euro aus dem System Eisenbahn entzieht, auf Kosten der Fahrgäste und Länder. Um die Kosten bezahlbar zu halten, benötigen die Länder und Aufgabenträger die Möglichkeit des direkten Zugriff auf die Infrastruktur inklusive der hierfür bereitgestellten Finanzmittel.
- Weitere Investitionen in den Nahverkehr sind durch das Ende des GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) in 2019 akut gefährdet. Die Länder stehen in der Pflicht, entsprechend der Vereinbarungen der Förderalismusreform für eine baldige Nachfolgeregelung zu sorgen. Bereits jetzt werden Projekte abgebrochen, da die Finanzierung unklar ist.
- Immer kompliziertere Vorschriften und überdimensionierte Technik erzeugen immer höhere unnötige Kosten. Durch eine Vereinfachung der Regelwerke insbesondere bei überschaubaren Verhältnissen kann viel Geld gespart werden, ohne dass Sicherheit oder Verfügbarkeit der Bahn leiden. Die entsprechenden Gespräche zwischen Bund, Ländern und VDV müssen wieder aufgenommen und konstruktiv beendet werden.
- Mittelständische Bahnen sowie Touristik- und Museumsbahnen benötigen Rahmenbedingungen, die eine Zukunft ermöglichen (z.B. Senken der Aufwände für die Sicherheitsbescheinigung, Berücksichtigung aller Bahnen bei Investitionsplanungen). Die Überregulierung dieser Bahnen ist zu beenden.
- Die übertriebene Umsetzung europäischen Rechts sowie das damit verbundene Schwarze-Peter-Spiel zwischen nationaler Ebene und EU ist gefährlich und muss beendet werden. Das gleiche gilt auch zwischen Eisenbahnen und deren Aufsicht.
- Regionalverbindungen über innereuropäischen Grenzen stehen vor unnötige Hürden. Die Grenze darf keine Rolle mehr spielen. Durchgehende Züge, Informationen, auf allen Seiten verwendbare Fahrzeuge sowie durchgehende Fahrkarten müssen selbstverständlich sein. Dieses Thema wird auf europäischer Ebene bisher leider eher ignoriert.
- Die steigende Zahl an Unternehmen auf der Schiene erfordert bessere Zusammenarbeit: Der Vertrieb muss unternehmensübergreifend und -neutral organisiert werden, ebenso die Fahrgastinformation.
- Fahrgastrechte müssen auch dann sichergestellt sein, wenn aus technischen oder organisatorischen Gründen für eine Reise mehrere Fahrkarten ausgestellt werden (z.B. bei einer Reise mit ICE und Thalys) oder das Verkehrsmittel (ÖPNV, Fernbus, Schiff, Flugzeug) gewechselt wird.
- Fernbus und Eisenbahn müssen gleich behandelt werden. Dies betrifft die Fahrgastrechte genauso wie beispielsweise Informationspflichten, durchgehende Fahrkarten oder Mautzahlungen für die Infrastruktur.
- Die sehr hohe Sicherheit der Fahrgäste der Eisenbahn und das subjektive Sicherheitsempfinden klaffen auseinander. Dort besteht Handlungsbedarf. Unternehmen und Politik müssen dafür sorgen, dass der hohe Sicherheitsstandard sich auch im Empfinden widerspiegelt.
Die Teilnehmer der 30. Horber Schienen-Tage
Diese Resolution ist auch als pdf-Datei verfügbar.