Im Mittelpunkt des Titelbildes für die 27. Horber Schienen-Tage steht die Bosporus-Lok. Sie ist ein Symbol für das Zusammenwachsen des Schienenverkehrs in Europa. Ein Zug vom Bosporus bis zur Nordsee kann mit einer einzigen Lok durchgehend geführt werden. Die Logos der verschiedenen Bahngesellschaften stehen für diese Fähigkeit.
Die Bosporus-Lok ist der jüngste Sproß einer Entwicklung, die vor über dreißig Jahren begann. Mit der Lok DE 2500 der Firma Henschel kam erstmals moderne Drehstromtechnik auf die Schienen. Nach zahlreichen Versuchen wurde die Drehstromtechnik serienmäßig in der Elok E 120 eingesetzt. Auf dieser Basis entwickelte die Firma Siemens eine moderne Ellok für Spanien. Eine Lok aus dieser Serie wurde für den Einsatz in Deutschland adaptiert und der DB als E 127 Euro-Sprinter zur Verfügung gestellt. Der Euro-Sprinter wiederum ist der Urahn der erfolgreichen Loktype Taurus, zu der auch der Bosporus-Sprinter gehört.
Sowohl die DE 2500 als auch die E 127 wurden auf Initiative der Bahnindustrie erprobt. Damit hat sich, damals weitgehend unbemerkt, die Rolle der Bahnindustrie vom nationalen Zulieferer, dem "Hoflieferanten", zu einem internationalen Anbieter verändert. Dieser Prozeß ist noch in vollem Gange, wie sich am oft erbitterten Ringen um Beschaffungsrichtlinien immer wieder zeigt. Ebenfalls symptomatisch für die Veränderung: Der Eurosprinter ist ebenso wie die Bosporus-Lok im Fahrzeugbestand eines internationalen Leasinganbieters und nicht im Fuhrpark einer nationalen Eisenbahngesellschaft. Ist der Beitrag der Eisenbahn zu unserer Zukunft ihr Anteil an der globalen Wirtschaft?
Oder liegt der Beitrag der Eisenbahn zu unserer Zukunft mehr in der Mobilität in großen Ballungsräumen unabhängig vom Auto, für den stellvertretend ein Zug der S-Bahn München steht?
Oder liegt der Beitrag der Eisenbahn zu unserer Zukunft, wie ein ortskundiger Zyniker anmerkt, in der Aufgabe weiter Flächen, auf denen anstelle von Schienen moderne Büro- und Geschäftsbauten errichtet werden? Die Gebäude auf dem Bild sind auf dem Areal eines Güterbahnhofs errichtet worden, der über Jahrzehnte das innenstadtnahe Containerterminal für die Stadt München war. Das Stellwerk in der Bildmitte ist ebenfalls Zeuge einer verflossenen Ära der Eisenbahn.
Das so harmlos wirkende Titelbild bietet eine Menge Stoff zum Nachdenken. Einige der aufgeworfenen Fragen wurden bei den Horber Schienen-Tagen 2009 behandelt, die Fragen stehen in Zukunft sicher wieder auf dem Programm.