Horb a. Neckar, den 22. November 1997
Resolution der 15. Horber Schienen-Tage
Die Ziele der Bahnreform sind in akuter Gefahr
Die Bahnreform sollte mit schlankeren Unternehmensstrukturen und verkürzten
Entscheidungswegen den öffentlichen Schienenverkehr bei gleichzeitiger
Kostenreduzierung stärken. Sie hat mit neuer unternehmerischen Freiheit der
Eisenbahnunternehmen und mit der Übertragung der Verantwortung für den Schienen-
Regionalverkehr auf die Länder und Kommunen neue Kräfte freigesetzt.
Kundenorientierung, Komfort und Service im Personenverkehr haben deutlich
zugenommen, der Nahverkehr verzeichnet steigende Fahrgastzahlen durch verbesserte
Angebote, weitere Ausbaupläne wurden von vielen Kommunen und Ländern mit großen
Erwartungen begonnen.
Wir beobachten jedoch:
Diesen hoffnungsvollen Ansätzen stehen in der Praxis wesentliche Hindernisse entgegen:
Die Bahnreform hat Strukturen geschaffen, die ihren Zielen entgegenwirken. Der DB AG Geschäftsbereich
Netz soll die Schienenwege wirtschaftlich betreiben. Dies führt zu
Fehlentwicklungen:
- Schienenstrecken werden von heute auf morgen stillgelegt. Wegen unterlassener
Wartung sind die Gleise nicht mehr befahrbar, der Personenverkehr wird eingestellt.
- Kommunen und Länder bestellen Schienenverkehr von heute auf morgen ab. Nun ist
mit Sicherheit der Bau von Schienenwegen eine Investitionsentscheidung für
Jahrzehnte; kein Unternehmen kann Investitionen ohne Planungssicherheit in Angriff
nehmen.
- Netzbetreiber schaffen von sich aus vollendete Tatsachen und bauen beispielsweise
Gleise zurück. Kommunen und Länder können aber ihre Eisenbahnpolitik nur dann
langfristig anlegen, wenn sie in die Investitionsplanung für die Schienenwege
einbezogen werden.
- Wenn Länder oder Kommunen Investitionsverantwortung für Eisenbahnanlagen
übernehmen wollen, zeigt sich die Deutsche Bahn AG wenig kooperationsbereit:
- angebotene Baukostenzuschüsse nimmt sie nicht an,
- sie verschleppt und verzögert Vertraglich vereinbarte Baumaßnahmen,
- Bahngrundstücke für Investitionen in den Öffentlichen Verkehr gibt sie nicht ab;
- Die Interessen unterschiedlicher Besteller bei der gemeinsamen Nutzung der
Schienenwege führen zu Konflikten. Diese werden zu Zeit nach betrieblichen
Gesichtspunkten von der DB AG entschieden, nicht nach den Interessen der Kunden.
Solche Fehlentwicklungen dürfen nicht länger hingenommen werden. Schieneninfrastruktur
gehört zur Daseinsfürsorge und darf nicht Spielball der Interessen eines
Wirtschaftsunternehmens bleiben.
Die Teilnehmer der 15. Horber Schienen-Tage fordern:
- Die Schienen-Infrastruktur ist in öffentliche Verantwortung zu nehmen, so wie Straßen
und Wasserwege auch.
- Es sind Lösungen zu finden für eine Beteiligung der Länder und Kommunen an der
Verantwortung für die Schienen-Infrastruktur.
Als Lösung schlagen die Teilnehmer der 15. Horber Schienen-Tage vor:
- Einrichtung einer gemeinsamen Bund-Länder-Gesellschaft für die Schienenwege.
- Übertragung von Teilen des Eisenbahnnetzes an die Länder.
- Gesicherte Regeln für Investitionen in die Schienenwege.
Die Teilnehmer der 15. Horber Schienen-Tage
Diese Resolution ist auch als pdf-Datei erhältlich.