Horb a. Neckar, 25. November 1984

Resolution der 2. Horber Schienen-Tage

Vom 22. bis 25.11.1984 fanden in Horb am Neckar die zweiten "Horber Schienen-Tage" statt, die Vertreter verschiedener Fahrgastinitiativen aus dem Bundesgebiet zu einem Meinungsaustausch zusammenführten

Die Tagungsteilnehmer stimmen in der Auffassung überein, daß sich die Situation des Fahrgastes öffentlicher Verkehrsunternehmen insbesondere in ländlichen Gebieten von Jahr zu Jahr verschlechtert. Wie die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, führt die Umstellung vom Schienenverkehr auf Busbetrieb zu einer massiven Abwanderung von Fahrgästen, so daß von derartigen Maßnahmen auch das Fahrgastaufkommen der Bundesbahn auf Fernstrecken beeinträchtigt wird. Von Tagungsteilnehmern wurde daher auch mehrfach darauf hingewiesen, daß der merkbaren Reduzierung des Bundesbahn-Streckennetzes im ländlichen Raum keine entsprechende Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses gegenübersteht. Da die Bundesregierung ihre Sparmaßnahmen am Nahverkehr immer wieder mit wirtschaftlichen Überlegungen begründet, muß jetzt das Augenmerk auch auf die wirtschaftliche Lage konkurrierender Verkehrsarten gerichtet werden.

Während sich das Betriebsdefizit der Bundesbahn auf etwa 4 Mrd DM beläuft, wurde mit großer Besorgnis festgestellt, daß die Kostenunterdeckung des Straßenverkehrs in erschreckendem Maße auf etwa 35 Mrd DM angestiegen ist. Wie aus verschiedenen Fachpublikationen hervorgeht, steht hier spezifischen Einnahmen öffentlicher Kassen von etwa 45 Mrd DM eine durch den Straßenverkehr verursachte Gesamtbelastung von etwa 80 Mrd DM gegenüber, wobei Umweltschaden und extern anfallende Unfallfolgekosten mit berücksichtigt worden sind.

Dieser weitgehend verdeckten Subventionierung des Straßenverkehrs steht die Bundesregierung tatenlos gegenüber, während sie das vergleichsweise geringfügige Betriebsdefizit der Bundesbahn in den Mittelpunkt ihrer Sparpläne zu rücken versucht. Eine spürbare Senkung der Bundesbahn-Betriebsausgaben erscheint jedoch allenfalls dann hinnehmbar, wenn gleichzeitig Investitionsmittel für eine durchgreifende Modernisierung des Schienennahverkehrs bereitgestellt werden und die verdeckten Subventionen der anderen Verkehrsfrager auf ein zumutbares Maß zurückgeführt werden.

Anerkennung findet bei den Tagungsteilnehmern die Tatsache, daß die Bundesregierung von weiteren Wettbewerbsnachteilen der Bundesbahn gegenüber Wettbewerbern zumindest Kenntnis genommen hat.

Die derzeitige Freistellung des Luftverkehrs und der Binnenschifffahrt von der Mineralölsteuer kann jedoch kein Dauerzustand bleiben und muß in Verhandlungen mit den Nachbarstaaten schnellstens beendet werden. Daß die Binnenschiffahrt an den Kosten ihres Verkehrsweges Wasserstraße zu höchstens 9 % beteiligt wird, stellt bei den wichtigen Massengütern ebenfalls eine eklatante Benachteiligung der Bundesbahn dar, die für den Unterhalt ihres Streckennetzes bekanntlich selbst aufzukommen hat. Hinzu kommen nicht ausgeglichene Kriegsfolgelasten der Bundesbahn sowie Erschwernisse dienstrechtlicher Art.

Die Politik der Bundesregierung, den Straßen- und Luftverkehr sowie die Binnenschiffahrt in dieser Weise gegenüber der Bundesbahn zu bevorzugen, hat zwangsläufig Kostenstrukturen zur Folge, die jeden Reisewilligen oder Güterversender in seiner Verkehrsmittelwahl massiv beeinflussen, und zwar jeweils zum Nachteil der umweltfreundlichen Schienenverkehrsmittel.

Die Teilnehmer der zweiten "Horber Schiene Tage" fordern die Bundesregierung daher auf, ihr Augenmerk stärker als bisher auf die beträchtliche Kostenunterdeckung im Straßenverkehr sowie die ungerechtfertigte Bevorzugung des Luftverkehrs und der Binnenschifffahrt zu richten und das Verursacherprinzip verstärkt zur Anwendung zu bringen.

Nur so können die öffentlichen Haushalte saniert, die allgemeinen Versicherungsbeiträge gesenkt, der Energieverbrauch reduziert, die Umwelt geschont, die Unfallzahlen vermindert und der öffentliche Nahverkehr attraktiv gestaltet werden.


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